FERRARI 250 GT "Ellena" Trommelbremsen Restaurierung

Landschaft


Saftige Wiesen, weiße Wölkchen am strahlend blauen Himmel, prächtige Gehöfte, das landläufige Bayern - Klischee., tägliche Realität für die SCUDERIA GT Classic, bewußt getrennt vom sonstigen hektischen
Alltagsgeschäft eines der größten Ferrari– und Maserati– Servicebetriebe der Welt, ein diskretes Refugium für wertvollste Sportwagen-Klassiker.

Gleich wird Classic-Spezialist Paul Brayshaw zu einer Testfahrt über die traumhaften Bergsträßchen der Umgebung aufbrechen.


Testobjekt diesmal eine ganz besondere Rarität: Ferrari 250 GT Ellena aus 1957. Der 3 Liter 12 Zylinder hechelt sich mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl bereits warm, Öldruck und - Temperatur „sono a posto“. Kupplung kommen lassen und dem charakteristischen Ventiltrieb-Ticken lauschen, während Paul das elegante Coupé weiter behutsam warmfährt.

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
© Michael Gutmann


Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957: SCUDERIA GT Classic Restaurierung Trommelbremse


Kann die Bremse eine Scheibe sein?

Im Kinofilm „Ferrari“ hat Hollywood-Regisseur und Ferrari-Sammler Michael Mann die Ereignisse verschiedener Jahre einfach im Jahr `57 angesiedelt. Dabei bot das reale Geschehen im Jahr `57 derart viel Aufregendes für Ferrari, es hätte für mehrere Blockbuster Kinofilme gereicht!

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
© Michael Gutmann

Ende der Mille Miglia

Zwar gewinnt Piero Taruffi 1957 für Ferrari die Mille Miglia.
Überschattet wird das Rennen jedoch vom tödliche Unfall des Ferrari-Piloten Alfonso De Portago. De Portago auf einem Ferrari 335 S liegt 40 Kilometer vor dem Ziel auf Position vier, als bei vermutlich 250 km/h mehrere Reifen platzen. Sein Beifahrer Nelson und neun Zuschauer werden mit in den Tod gerissen, die Mille Miglia als Straßenrennen verboten. Gegen Enzo Ferrari ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Der Vorwurf: für derartige Belastungen ungeeignete Reifen des Sponsors Firestone eingesetzt zu haben. Ferrari und Firestone werden letztlich nicht belangt, doch Teile der öffentlichen Meinung sowie die katholische Kirche wenden sich ausdrücklich gegen Ferrari.

Der erste Ferrari GT mit Scheibenbremsen

Dabei hatte das Jahr vielversprechend begonnen.
Anfang März auf dem Automobilsalon in Genf zieht das Ferrari 250 GT Cabriolet Pinin Farina, Fahrgestell 0655GT, bewundernde Blicke auf sich.
Peter Collins, zu dieser Zeit Formel-1 Star der Scuderia, läßt sich das Ausstellungsfahrzeug als Dienstwagen zusichern. Kreuz und quer durch Europa reist Collins fortan mit sensationellem Cabrio und amerikanischer frisch angetrauter Gattin zu den Rennen wie zu zahlreichen mondänen Veranstaltungen. Für das noch am Anfang stehende Start-up Ferrari ein willkommener Werbe-Booster!

Die Trommelbremsen seines Ferrari läßt Collins auf Dunlop Scheibenbremsen mit en tsrerch von Dunlop gelieferten Speichenrädern umrüsten. Als Enzo Ferrari das sieht, ordnet er umgehend an, auf einem Testa Rossa die neuartige Bremstechnik zu erproben. In der darauffolgenden Saison der Sportwagenweltmeisterschaft haben die roten Renner aus Maranello durchweg Scheibenbremsen, ab 1960 auch alle Straßen GT.

Doch Blick noch einmal zurück ins Jahr 1957, Fokus ganz auf eine der seinerzeit üblichen Hochleistungs-Trommel-Bremsen gerichtet.
Gerade prüft Dennis Gerhofer die soeben aus der Emilia-Romagna eingetroffenen, exklusiv für SCUDERIA GT Classic gefertigten Teile. Eingebaut werden sollen sie in ein Ferrari 250 GT Coupé, just – welch Zufall – aus dem Jahr 1957. Der Eigner hatte bereits Sorge, die Bremsanlage sei nicht mehr zu restaurieren, er müsse sich mit schiefziehenden, Fading empfindlichen Stoppern für immer zufriedengeben..

Robert M. Lee mit Gattn und dem legendären
Peter Collins Ferrari beim Concours D‘Elegance in Pebblebeach.
Charakteristisch die tief eingeschnittene Fahrertür, wahrscheinlich
damit Collins lässig den Arm aufstützen konnte.


Pinin Farina ließ gerade seine Produktionsanlagen zur Ausweitung der Fertigungskapazitäten komplett umbauen. Da die Produktion ruhte, wurde die Kleinserie der Ferrari 250 GT den Firmen Carrozzeria Boano (1956) und anschließend Cartrozzeria Ellena (1957) anvertraut. Jeder der beiden Karosseriebauer brachte eigene Detaillösungen ein. Daher unterscheidet man die Coupés und Cabrios „Ellena“ oder „Boano“. 1957 folgte Mario Boano dem Ruf des FIAT-Konzerns, ein eigenes „Centro Stile“ aufzubauen, während Ezio Ellena, Schwiegersohn und Mitgesellschafter von Mario, die  Carrozzeria weiterführte


Collin’s Cabrio befindet sich heute in der Sammlung Robert M. Lee in Reno, Nevada

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957

SCUDERIA GT Classic bietet die Überholung dieser Trommelbremsen in Neuzustand.

Dazu werden Komponenten anhand der Originalpläne mit äußerster Präzision exklusiv nachgefertigt. Classic-Techniker Paul erinnert sich an die extrem heiklen Phasen beim Wiederzusammenbau der renovierten Bremskomponenten. So erfordert das Einschleifen der Bremsbeläge auf den umgebenden Trommel-Innenring enorme Kraft und Aufmerksamkeit. Die entsprechende schwere Spezialmaschine wird am Fahrzeug auf die Radnabe gesetzt. Dort muß sie nun frei gehalten werden, während der zentral angeordnete Elektromotor den Schleifprozess an den Bremsbelägen antreibt. Jetzt sind Augenmaß und trotz des Gewichts der Schleifmaschine entsprechende Sensibilität gefragt. Wird hier zu ungleichmäßig geschliffen, rubbelt und vibriert die Bremsanlage später unter Last. Auch wird das gefährliche Schiefziehen der Bremsen provoziert.

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957

Schließlich droht ein Total-Flop, sollte bei diesem freihändigen Einschleifen zu viel Material von den Bremsbelägen abgenommen werden. Dann war alle Mühe vergeblich und es muß komplett neu von vorne mit der Renovierung der Trommelbremsanlage begonnen werden.
In der perfekten Vorbereitung und Einstellung einer Trommelbremsanlage liegt also wahre Meisterschaft.

Paul, auf die Frage, wie im Vergleich zu heutigen Bremsen die Leistung der Rennsport-Hochleistungstrommeln wie hier an unserem Coupé
Ende der Fünfzigerjahre einzuschätzen seien, bleibt ganz diplomatischer Gentleman: „Für die seinerzeitige Leistung und das geringe Gewicht des Wagens war diese Bremse hervorragend!“

Zur zuverlässigen Planung einer Restaurierung gehört vorab die eingehende Recherche. So gelang es SCUDERIA GT zunächst in einer Gießerei nahe Modena, nach minutiöser Auswahl geeigneter Legierungen, die vier Trommeln völlig neu anfertigen zu lassen. Anhand der Bemaßungen aus den original Konstruktionsplänen von 1957, müssen die Bremsbeläge an diese Trommeln angepaßt werden.

Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957

Alt-Belag : nahezu keine Bremsleistung

Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957

Klicken für Guß– u. Schmiedepräzision


Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
Im Vordergrund der Belag- Schleifer zum aufsetzen auf die Radnabe
Scheibenbremse - Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
Perfekt restaurierte Trommelbremse
Zentralverschlußmutter
Zentralverschlußmutter

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
© Michael Gutmann

Nur ganz kurz nochmal die Funktionsweise der beiden unterschiedlichen Bremssysteme.

Trommelbremse

Vereinfacht gesagt, die Bremsbeläge der Trommelbremse drücken innen auf eine geschlossene Trommel.

Vorteile:

  • je nach Ausführung nahezu wartungsfrei
  • gut geschützt gegen Feuchtigkeit und Verschleiß
  • kompakte Bauweise
Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957


Wegen dieser konzeptionellen Pluspunkte entwickelt Continental seine komplett in eine Radnabe integrierte Elektro-Antriebseinheit wieder mit einer integrierten Trommelbremse.

 

 

 

Nachteile:

  • ungünstige Kinematik
  • schlechte Wärmeleitung
  • begrenzte Bremsleistung
  • aufgrund prinzipbedingt schlechter Wärmeableitung bei hoher Belastung nachlassende Bremswirkung ("Fading")
  • höherer Aufwand beim Wechseln der Bremsbeläge, da die gesamte Bremstrommel demontiert werden muss, was insbesondere im Motorsport ein inakzeptables Hindernis bedeutet.

 

Ferrari 250 GT „Ellena“ 1957
© Michael Gutmann

Scheibenbremse

Bei Scheibenbremsen wirken axial bewegte Bremsbeläge auf eine parallel zum betreffenden Rad rotierende Scheibe.

Vorteile:

  • optimale Wärmeableitung und Lüftung 
  • optimale Kinematik, die präzises Bremsgefühl, Ansprechverhalten und Bremspunkt ermöglichen
  • relativ einfacher Aufbau
  • geringes Gewicht

Nachteile:

  • Ansprechverhalten bei Nässe verzögert
  • die offen, quasi vollkommen ungeschützt laufenden Bremsscheiben unterliegen nicht nur durch die eigentlichen Bremsvorgänge dem Verschleiß, sondern auc durch Verschmutzung und aggressive Umwelteinflüsse
Curve



Gespannt sehen wir der ersten Testfahrt im fast siebzig Jahre alten Ferrari
mit seinen nagelneuen original Trommelbremsen entgegen!

Anmerkung Motorflüsterer: Besonderer Dank gilt Michael Gutmann für seine Illustrationen.

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Scuderia Gran Tourismo GmbH
Salzhub 14
83737 Irschenberg

Telefon: +49 8062 7265-0
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